Nachfolgend werden zentrale Aspekte der neu gefassten ICH-Richtlinie Q1 zur Stabilitätsprüfung von Arzneimittelwirkstoffen und Arzneimitteln (Draft) beleuchtet.

Wichtige Aspekte der neu gefassten ICH-Richtlinie Q1 zur Stabilitätsprüfung von Arzneimittelwirkstoffen und Arzneimitteln (Draft)
Hintergrund:
Eine komplette Überarbeitung der ICH-Vorgaben zur Stabilitätsprüfung war 2022 mit einem „Concept Paper“ angekündigt worden. In diesem wurden folgende Gründe angeführt, die zu der Überarbeitung geführt haben.
- Die in die Jahre gekommenen Leitlinien der Gruppe Q1 entsprechen nicht mehr dem Stand von Wissenschaft und Technik, und regionenspezifische Anforderungen sind für neue ICH-Mitglieder nicht abgebildet.
- Es gibt zahlreiche neue Klassen von Wirkstoffen und Produkten, für die spezifische Vorgaben fehlen.
- Moderne (analytische) Technologien werden nicht berücksichtigt.
- Die Rolle eines modernen pharmazeutischen Qualitätssystems (ICH Q10) mit einem entsprechenden System zum Risikomanagement (ICH Q9) wird nicht hinreichend gewürdigt.
- Ein konsistentes Lebenszykluskonzept für pharmazeutische Stabilitätsstudien fehlt.
- Die Vorgaben sollen in einem konsistenten Dokument und nicht über mehrere Dokumente (ICH Q1X und ICH Q5C) verstreut enthalten sein.
Die Überarbeitung ist auch im Kontext der Überarbeitung der ICH-Q6-Leitlinien zu sehen, bei der die vorstehenden Erwägungsgründe in ähnlicher Weise eine Rolle spielen. Dazu wurde im letzten Jahr ein finales „Concept Paper“ veröffentlicht, in dem eine Entwurfsfassung in 2026 angekündigt wird.
Struktur:
Die wichtigsten strukturellen Änderungen machen die neue Leitlinie logischer und umfassender. Das Dokument ist in 18 Abschnitte gegliedert, gefolgt von drei Anhängen, die den gesamten Prozess der Stabilitätsstudien von der frühen Entwicklung bis zur Zulassung abdecken. Es beginnt mit den im Rahmen der Entwicklung durchzuführenden Stress- bzw. forcierten Abbaustudien (Abschnitt 2) und beschreibt dann detailliert das Design formaler (konfirmativer) Stabilitätsstudien (Abschnitte 3-7), einschließlich der Auswahl von Chargen, Behältern, Testhäufigkeit, Lagerbedingungen und Fotostabilität. Die nachfolgenden Abschnitte enthalten Anleitungen zu ergänzenden Stabilitätsstudien, z. B. zu Verarbeitungs- und Haltezeiten für Zwischenprodukte, zu kurzfristigen Änderungen von vorgesehenen Lagerungsbedingungen, zur Anbruchstabilität und zur Stabilität neuartiger Hilfsstoffe oder Adjuvantien (Abschnitte 8-12). Der Leitfaden adressiert auch die relevanten Aspekte der Datenauswertung sowie der Extrapolation der Haltbarkeitsdauer (Abschnitt 13) und der Kennzeichnung (Abschnitt 14), bevor er in einem abschließenden Kapitel zu Obliegenheiten im Produktlebenszyklus endet (Abschnitt 15). Schließlich werden in drei Anhängen spezielle Themen behandelt: Anhang 1: Verwendung von Stabilitätsprotokollen mit einem reduzierten Design; Anhang 2: Stabilitätsmodellierung und Anhang 3: Stabilität von Arzneimitteln für neuartige Therapien (ATMPs). Diese Struktur unterstreicht, dass die Stabilität von Wirkstoffen, Intermediaten und Arzneimitteln von der frühen Formulierungsentwicklung bis zur Einreichung der Zulassung und darüber hinaus durchgängig bewertet und überwacht werden muss.
Ergänzungen:
Die Leitlinie führt mehrere inhaltliche Bereiche ein, die in der älteren Q1-Reihe nicht vollständig behandelt wurden. So enthält sie beispielsweise neue Leitlinien zu Stabilitätsstudien während der Anwendung, also bei Verwendung durch den Patienten nach dem Öffnen („Anbruchstabilität“), zu kurzfristigen Stabilitätsstudien (z. B. kurzfristige Änderungen der Lagerungsbedingungen während des Transports oder der vorübergehenden Lagerung) und Stabilität von Intermediaten bei der Verarbeitung während der Herstellung. Außerdem wird ausdrücklich auf die Stabilität neuartiger Hilfsstoffe und Impfstoffadjuvantien eingegangen, und es werden Überlegungen zur Stabilität von Referenzstandards angestellt - Themen, die die Herausforderungen der modernen Produktentwicklung widerspiegeln. Durch die Einbeziehung dieser Bereiche schließt der Leitfaden bekannte Lücken und bringt die Anforderungen im pharmazeutischen Umfeld weltweit bzw. regionenübergreifend mit den aktuellen wissenschaftlichen und regulatorischen Anforderungen in Einklang und harmonisiert diese.
Stabilitätsstudien als Teil des Risikomanagementprozesses:
Im Einklang mit den ICH-Leitlinien Q8, Q9, Q10, Q11 und Q14 enthält die aktualisierte ICH Q1 zahlreiche Hinweise, dass alle Stabilitätsstudien als Teil des pharmazeutischen Qualitätssystems gesehen werden müssen und so in das Risikomanagementsystem eingebettet sind. Die Stabilitätsprüfung wird nicht mehr als regulatorische Formalität, sondern als wissenschaftlich orientierter Qualitätssicherungsmechanismus betrachtet.
Stabilitätsindizierende kritische Qualitätsmerkmale (CQAs) müssen auf der Grundlage von Risikobewertung und mechanistischem Verständnis ausgewählt werden. Diese sollten physikalische, chemische, mikrobiologische und funktionelle Eigenschaften umfassen, die sich im Laufe der Zeit ändern können. Das gilt auch für die Validierung von Analysemethoden unter Einbeziehung der Daten aus Stress bzw. forciertem Abbau, um die Selektivität und stabilitätsindizierenden Eigenschaften der Prüfverfahren für die Reinheitsanalytik kleiner Moleküle zu gewährleisten.
Die überarbeitete Leitlinie ermöglicht in Teilbereichen einen risikobasierten Ansatz für das Design von Stabilitätsstudien. Anstatt ein generisches Prüfdesign zu verwenden, bietet sie den Herstellern die Flexibilität, eigene, ggf. schlankere Stabilitätsprotokolle zu erstellen, wenn sie diese wissenschaftlich begründen können. Anhang 1 enthält neue Anregungen für wissens- und risikobasierte Reduzierungen von Designs für Stabilitätsstudien, die über die traditionellen Klammer-/Matrix-Beispiele hinausgehen. Das bedeutet, dass ein Unternehmen, das über ausreichende Kenntnisse (aus der Entwicklung oder aus früheren Erfahrungen) verfügt, die eine angemessene Rechtfertigung erlauben, dass bestimmte Prüfbedingungen oder -zeitpunkte risikoarm sind, diese in der formalen Studie auslassen oder minimieren kann - vorausgesetzt, es wird eine fundierte wissenschaftliche Begründung gegeben.
Die Verpflichtung zu wissenschaftlich fundierter Stabilität erstreckt sich auch darauf, wie die Daten letztendlich ausgewertet werden. Die Revision von ICH Q1 behält die bekannten statistischen Ansätze bei (z. B. Regressionsanalyse zur Bestimmung der Haltbarkeit), bietet jedoch auch Freiräume für eine verbesserte Datenanalyse und Anwendung alternativer statistischer Verfahren und Modelle.
Kommentierung:
Die Leitlinie kann bis zum 30. Juli kommentiert werden. Dazu hat die ICH strukturierte Templates publiziert, die dazu verwendet werden müssen. Das Dokument finden Sie hier:
(https://www.ema.europa.eu/en/documents/template-form/submission-comments-ich-guidelines_en.xlsx). Die Möglichkeit zur Übermittlung an die ICH (I ich@ema.europa.eu) endet am 30. Juli 2025.
