Fritz Röder ist ein anerkannter GMP-Experte und langjähriger Projektmanager mit einer breiten Palette an Erfahrungen in verschiedenen Unternehmen. Neben einer Anstellung bei der Darmstädter Merck Healthcare KGaA ist Fritz Röder als freiberuflicher Speaker, Autor und Berater tätig.
Pharmawasser: Definition, Herstellung, Qualitätssicherung
Mit dem Oberbegriff „Pharmawasser“ werden mehrere Arten von Wasser bezeichnet, die aufgrund ihrer besonderen Reinheit in der pharmazeutischen Industrie zum Einsatz kommen. Sie werden dementsprechend unter regulierten Bedingungen hergestellt und für mehrere Zwecke verwendet – beispielsweise zur Reinigung, als Bestandteil von Medikamenten und Injektionslösungen oder als Prozesswasser.
Pharmawasser ist ein elementarer Bestandteil der Pharmazie, da es eine zentrale Rolle bei der Sicherheit von Arzneimitteln einnimmt. Der Einsatz von herkömmlichem Trinkwasser würde das Risiko von Verunreinigungen und Infektionen erhöhen – die Gesundheit von Patientinnen und Patienten wäre in Gefahr. Folgerichtig muss Pharmawasser gewisse Qualitätsstandards erfüllen und gleichzeitig genau geregelte chemische, physikalische und biologische Eigenschaften besitzen.
Welche Arten von Pharmawasser gibt es? Wie werden sie hergestellt, wo genau werden sie eingesetzt? Wie wird die Reinheit des Wassers kontrolliert? Wir erklären Ihnen hier, was Sie alles über Pharmawasser wissen sollten!
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Was ist Pharmawasser?
Pharmawasser oder Reinstwasser ist in der pharmazeutischen Produktion und Verpackung allgegenwärtig. Es wird in fast allen Darreichungsformen (Tablette, Spritze, Salbe, Kapsel, Zäpfchen, Spray, …) als Inhaltsstoff verwendet, sowie zu Reinigungszwecken. Tabletten enthalten während der Herstellung ca. 5-10% Wasser, Salben und Lotionen ca. 20-80%, und bei Spritzen nähert man sich der 100% beim Wasseranteil. In den weltweiten Arzneibüchern haben sich im Wesentlichen zwei Wasserqualitäten etabliert.
Gereinigtes Wasser (Synonyme: „Purified Water“ „PW“, „Aqua Purificata“, „AP“): diese Qualität wird für alle nonsterilen Darreichungsformen wie Tabletten, Salben, Sprays verwendet.
Wasser für Injektionszwecke (Synonyme: „Water for Injection“, „WFI“, “Aqua pro injectione”) setzt man für sämtliche Parenteralia, also Präparate zur Injektion, ein.
Reinstdampf (Synonym: „Clean Steam“, „CS“, „Pure Steam“, „PS“) wird zu Sterilisations- und Befeuchtungszwecken verwendet.
Zusätzlich gibt es noch einige weitere spezielle Nomenklaturen, z.B. wenn das Wasser in Flaschen abgefüllt wird oder speziellen Zwecken dienen soll (sterile Wässer, Wasser für Extraktionszwecke, bakteriostatisches Wasser).

Wie wird Pharmawasser hergestellt und eingesetzt?
Purified Water wird heutzutage in den allermeisten Fällen über Umkehrosmose hergestellt, gekoppelt mit weiteren Verfahren zur Vorbehandlung und Restentsalzung. In einigen selteneren Fällen finden auch noch Ionentauschersysteme Anwendung. Neben der Verwendung zum Ansatz nonsteriler Medikamente ist auch noch die Reinigung ein weiterer Einsatzzweck – hier wird auch das meiste Wasser verbraucht! Darüber hinaus wird Purified Water beispielsweise für die Dampferzeugung verwendet.
Water for Injection wurde historisch immer destilliert, und das war auch bis 2017 in Europa so gefordert. Beim Destillieren kommen im Prinzip zwei wesentliche Technologien zum Einsatz: die Multi-Effekt-Destillation sowie die Thermokompression. Letztere war im europäischen Raum weniger weit verbreitet. Beide Verfahren wurden typischerweise bereits mit einem Umkehrosmosepermeat oder Purified Water gespeist. Mit der Änderung der europäischen Arzneibücher in 2017 sind nun auch „kalte“ Verfahren erlaubt, und somit auch die Umkehrosmose ohne weitere Destillation. Aufgrund der strengeren Spezifikationen für WFI bei den Mikroorganismen sowie den Endotoxinen wird für kalte WFI-Systeme noch eine Ultrafiltration nachgeschaltet.
Nach der finalen Aufbereitungsstufe wird das Reinstwasser dann in geeigneten Tanks gelagert und in Ringsystemen kontinuierlich verteilt und zu allen Entnahmestellen gebracht, wo es gebraucht wird. Wichtig ist im Pharmaumfeld zudem die Sanitisierung, also regelmäßige Verfahren zur Biofilmkontrolle im System.
Reinstdampf wird zu Sterilisationszwecken und zur Befeuchtung der Raumluft in der aseptischen Herstellung verwendet. In manchen Fällen werden Reinstdampferzeuger zusätzlich in der nonsterilen Herstellung als Prozessdampf, etwa in Wirbelschichtanlagen oder Coatern. Der größte Anwendungsbereich stellt aber die aseptische Herstellung dar. Geräte, die mit Reinstdampf normalerweise sterilisiert werden, sind Autoklaven, Lyophilisatoren, CIP/SIP-Systeme und Stopper Processors. Reinstdampf wird meistens durch die Verdampfung von WFI oder PW erzeugt; das Kondensat des Dampfes muss in der aseptischen Herstellung WFI-Qualität erreichen.
Expertentipp

Fritz Röder: Wie werden Pharmawassersysteme nachhaltig?
"In den letzten Jahren hat das Thema Nachhaltigkeit und Energie- und Wasserverbrauch in Pharmawassersystemen stetig zugenommen. Hier wird ein signifikanter Anteil der Energie im typischen Pharmabetrieb verbraucht. Daher ist bereits begonnen worden, kalte Verfahren zur WFI-Erzeugung zu verwenden, es finden sich aber auch noch viele Destillationsanlagen in der Praxis – immer noch die Mehrheit des WFI’s wird verdampft. Weitere Energie- und Wassersparmaßnahmen werden tagtäglich in den Betrieben diskutiert und umgesetzt."
Wie erfolgt die Prüfung von Pharmawasser?
Die Prüfung von Pharmawasser und -dampf auf deren Qualitätsparameter ist auf verschiedene Weise möglich: Online-Verfahren erfassen Parameter direkt am oder im Wassersystem und erzeugen im Regelfall häufiger Daten und Messwerte, die zudem sofort verfügbar sind. Anorganische Verunreinigungen werden über die elektrische Leitfähigkeit des Wasser bestimmt, organische Parameter werden mittels TOC online gemessen. Es gibt allerdings auch noch verschiedene Tests, die „offline“, also anhand einer repräsentativen Probe im Labor bestimmt werden.
Der kritischste Parameter ist hierbei die Mikrobiologie, typischerweise in Form der Gesamtkeimzahl. Je nach Arzneibuchvorgaben müssen die Wasserproben 3-5 Tage im mikrobiologischen Labor inkubiert werden, bevor eine Auszählung stattfinden kann. Zudem sind die Inkubationsmethoden durch die Arzneibücher reguliert. Somit kann man im Regelfall in der Praxis erst 5-6 Tage nach dem Einsatz des Wassers in der pharmazeutischen Herstellung beurteilen, ob es währenddessen seine Spezifikation eingehalten hat. Daher ist ein präventives Betriebs-, Wartungs- und Sanitisierungskonzept bei allen Wassersystemen essenziell.
Die zu verwendeten Methoden werden durch die Arzneibücher definiert, in denen die Arznei verkauft werden soll. Darüber hinaus finden kontinuierlich zwischen den Arzneibuchgremien kontinuierlich Diskussionen zur Harmonisierung von Monographien (Arzneibuchkapiteln) statt, um vergleichbare Methoden weltweit zu etablieren. Die drei führenden Arzneibücher sind hierbei das amerikanische, das japanische und das europäische Arzneibuch.
Auf Basis dieser erzeugten Daten wird, wie bei anderen Rohstoffen auch, ein Analysenzertifikat erstellt, auf dessen Basis die Freigabe des Wassers für die Arzneimittelherstellung durch den Leiter der Qualitätskontrolle (LdQ) erfolgt. Zusammen mit den Analysenzertifikaten (CoA) aller weiteren Zutaten für das Arzneimittel gibt die Sachkundige Person (QP) schlussendlich die Arznei für die Vermarktung frei.

Wie überwacht man Pharmawassersysteme? Wie geht Quality Oversight?
Ein weiteres Thema von besonderer Wichtigkeit ist, dass die Wassersysteme immer unter Kontrolle sein müssen. Dazu erstellt das betreibende Team ein Betriebskonzept und eine Kontrollstrategie. Hierzu gehören nicht nur der Betriebs- und Sanitisierungsmodus, sondern auch Wartung, Kalibrierung und Probenzug. Übersichten über kritische Parameter mit Warn- und Aktionsleven sowie der Spezifikation runden die Kontrollstrategie ab. So ist man auch in Audits und Inspektionen sattelfest und kann Rede und Antwort bei jeglichen Fragen stehen.

Wassersysteme sind unter den Produktionsanlagen immer als etwas speziell anzusehen. Sie stehen nicht nur meistens „unsichtbar“ in den Technikräumen, und nicht in der Produktion, sondern sie müssen, anders als andere Produktionsanlagen, auch kontinuierlich laufen. Die Arznei wird ansonsten meistens chargenweise hergestellt. Die kontinuierliche Betriebsweise stellt das Betriebsteam vor zusätzliche Aufgaben. Das führt auch zur Notwendigkeit von prospektiver, geplanter Wartung, da man bei Ausfällen kaum Zeit hat zu reagieren. Zudem ist bei einem Ausfall eines Wassersystems der gesamte Betrieb betroffen, da nicht mehr angesetzt und auch nicht mehr gereinigt werden kann – der ganze Betrieb steht! Verpackungsanlagen können theoretisch noch ihre laufende Kampagne abschließen, bevor eine reguläre Reinigung ansteht, die dann nicht mehr stattfinden könnte. Insgesamt ist aber das Thema „Business Criticality“ bei Wassersystemen als sehr wichtig anzusehen.
Wie werden Pharmawassersysteme qualifiziert?
Wassersysteme im Pharmaumfeld sind immer etwas speziell, und so auch bei der Qualifizierung. Grundsätzlich erfolgt die Erstqualifizierung zwar nach dem üblichen Schema Designqualifizierung (DQ), Installationsqualifizierung (IQ), Funktionsqualifizierung (OQ) und Leistungsqualifizierung (PQ). Gerade bei der DQ und der PQ ergeben sich bei Pharmawasseranlagen Besonderheiten.
1. Designqualifizierung (DQ)
Die Designqualifizierung (DQ) von Wasseranlagen im Pharmaumfeld ist ein zentraler Schritt im Qualifizierungsprozess, der sicherstellt, dass die Anlage den regulatorischen Anforderungen, den GMP-Richtlinien und den betrieblichen Spezifikationen entspricht. Ziel der DQ ist es, bereits in der Planungsphase zu gewährleisten, dass die Anlage technisch geeignet ist, pharmazeutisches Wasser in der geforderten Qualität und Menge zu produzieren.
Im Rahmen der DQ werden das Anlagendesign, die Prozessparameter sowie die eingesetzten Materialien und Technologien überprüft. Hierzu zählen Aspekte wie die Auswahl von geeigneten Rohrleitungsmaterialien (z. B. Edelstahl 316L), die hygienische Gestaltung (z. B. totraumfreie Verbindungen), die Validierbarkeit der Mess- und Kontrollsysteme sowie die Einhaltung relevanter Normen (z. B. USP, EP).
Die DQ umfasst:
- Überprüfung der Designunterlagen (z. B. P&ID, R&I-Schemata)
- Bewertung der Material- und Komponentenwahl
- Festlegung kritischer Parameter (z. B. Leitfähigkeit, TOC-Werte)
- Risikoanalyse für potenzielle Kontaminationsquellen
Eine erfolgreiche DQ ist die Grundlage dafür, dass die geplante Wasseranlage die Anforderungen an pharmazeutisches Wasser wie Purified Water (PW) oder Water for Injection (WFI) zuverlässig erfüllt. Sie minimiert Risiken und erleichtert die nachfolgenden Qualifizierungsphasen (IQ, OQ, PQ).
Bei der DQ von Wasseranlagen ergibt sich der Sonderfall, dass diese immer spezifisch auf den Anwendungsfall auszulegen sind, da das Trinkwasser in jeder Region immer etwas unterschiedlich ist. Das bedeutet: Wasseranlagen sind Sonderbauanlagen!

2. Installationsqualifizierung (IQ)
Die Installationsqualifizierung (IQ) von Wasseranlagen im Pharmaumfeld ist ein essenzieller Schritt, um sicherzustellen, dass die Anlage gemäß den regulatorischen Anforderungen und den Spezifikationen des Herstellers installiert wurde. Sie bildet die Grundlage für die nachfolgenden Phasen der Qualifizierung, wie die Funktionsqualifizierung (OQ) und die Leistungsqualifizierung (PQ).
Im Rahmen der IQ werden alle Komponenten, wie Rohrleitungen, Ventile, Pumpen und Filter, dokumentiert und auf ihre Übereinstimmung mit den technischen Zeichnungen und Spezifikationen geprüft. Zudem wird sichergestellt, dass alle installierten Materialien den Anforderungen an Reinheit und Qualität entsprechen, beispielsweise in Bezug auf die Verwendung von Edelstahl mit definiertem Oberflächenfinish (z. B. elektropoliert).
Wichtige Schritte der IQ sind:
- Überprüfung der Installationsdokumentation
- Kontrolle von Materialzertifikaten und Schweißnähten
- Prüfung der Kalibrierung von Messeinrichtungen
Eine sorgfältige IQ stellt sicher, dass die Wasseranlage die Basisanforderungen für pharmazeutisches Wasser wie Reinheit, Sterilität und Rückverfolgbarkeit erfüllt und die regulatorischen Standards wie die GMP-Richtlinien einhält.
Die Funktionsqualifizierung (Operational Qualification, OQ) von Wasseranlagen im Pharmaumfeld ist ein entscheidender Schritt, um die korrekte Funktion der Anlage gemäß den definierten Spezifikationen und regulatorischen Anforderungen sicherzustellen. Dabei wird überprüft, ob alle Komponenten und Systeme der Anlage wie vorgesehen arbeiten und die kritischen Betriebsparameter eingehalten werden.
Im Rahmen der OQ werden Tests unter kontrollierten Bedingungen durchgeführt, um die Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Anlage zu belegen. Typische Prüfungen umfassen:
- Überprüfung der Sensoren und Messgeräte (z. B. Temperatur, Leitfähigkeit, TOC-Werte)
- Test der Regel- und Alarmsysteme
- Überprüfung des Verhaltens der Anlage bei unterschiedlichen Betriebszuständen (z. B. Start, Normalbetrieb, Abschaltung)
- Validierung der Sterilisations- oder Reinigungszyklen
Wichtige Dokumente wie Testprotokolle und Messdaten werden dabei detailliert aufgezeichnet und bewertet. Ziel der OQ ist es, nachzuweisen, dass die Wasseranlage zuverlässig pharmazeutisches Wasser produziert und alle kritischen Anforderungen für die nachfolgende Leistungsqualifizierung (PQ) erfüllt. Die OQ stellt somit einen zentralen Baustein zur Qualitätssicherung und Einhaltung der GMP-Standards dar.

3. Leistungsqualifizierung (PQ)
Die Leistungsqualifizierung (Performance Qualification, PQ) von Wasseranlagen im Pharmaumfeld ist die abschließende Phase im Qualifizierungsprozess. Ziel ist es, nachzuweisen, dass die Anlage unter realen Betriebsbedingungen konsistent Wasser in der geforderten Qualität und Menge produziert. Dies umfasst die Qualifizierung aller kritischen Parameter und die Bestätigung der langfristigen Zuverlässigkeit der Anlage.
Anders als sonstige Pharmaequipments würde man bei Wasseranlagen keinen „Challenge-Test“ durchführen. Normalerweise werden definiert Verunreinigungen in ein System eingebracht, und geschaut, ob der Prozess diese definiert entfernt. Aufgrund des Risikos der Biofilmbildung macht man das bei Wasseranlagen nicht, sondern lässt diese über einen gewissen Zeitraum laufen und simuliert eine Wasserentnahme. Läuft das System in diesem Zeitraum robust, so ist die PQ bestanden. Die PQ wird typischerweise in Phasen aufgeteilt.

Die PQ wird in enger Anlehnung an die regulatorischen Vorgaben (z. B. GMP, USP, EP) durchgeführt. Alle Ergebnisse werden dokumentiert und bewertet, um sicherzustellen, dass die Anlage dauerhaft die Anforderungen für pharmazeutisches Wasser wie Purified Water (PW) oder Water for Injection (WFI) erfüllt. Eine erfolgreiche PQ ist essenziell, um die Anlage für die Produktion freizugeben und die Qualitätssicherung im Pharmaumfeld zu gewährleisten.
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